- Im Jahr 2024 waren rund 50 Prozent der in China verkauften Pkw New Energy Vehicles, BYD und Geely beherrschen das NEV-Segment unangefochten.
- Eine Analyse von Berylls by AlixPartners zeigt, wie intensivster Wettbewerb unerbittliche Preissenkungen und einen Überbietungswettkampf mit technischen Features nach sich zieht.
- Chinesische OEMs überholen die globale Konkurrenz in nahezu allen Bereichen und bauen ihren Marktanteil auf über 60 Prozent aus.
- Chinesische Hersteller dringen immer weiter in das Premiumsegment vor und verkürzen ihren Abstand zu den westlichen OEMs in den Bereichen Fahrwerk, Lenkung und Fahrdynamik.
- Europäische OEMs müssen viel radikaler den Ansatz „in-China-für-China“ verfolgen, um nicht vollends aus dem Markt gedrängt zu werden
„Wir sehen, dass die chinesische Automobilindustrie auch im Jahr 2025 von einem stahlharten Innovationswettkampf und aggressiven Preissenkungen geprägt sein wird“, erläutert Dr. Jan Burgard, CEO der Berylls Group. „Angeführt von Marken wie BYD, XPeng und Geely haben chinesische Automobilhersteller die Technologieführerschaft neu definiert. Sie liefern sich einen anhaltend intensiven Preiskampf und haben die Dominanz der internationalen OEMs und Zulieferer längst gebrochen.“
Chinas Automarkt wächst, die westlichen OEMs haben keinen Anteil daran
Damit verschiebt sich die Marktdynamik zu Ungunsten westlicher OEMs und Zulieferer. Denn chinesische Unternehmen dominieren das Segment der Elektromobilität, die New Energy Vehicles (NEV). Die heimischen Marken statten ihre Modelle mit Eigenschaften aus, die sehr genau auf die lokalen Bedürfnisse zugeschnitten sind. Dies stellt die internationalen OEMs vor die Frage, wie sie sich anpassen müssen, um auf Augenhöhe konkurrieren zu können und auf dem größten Automobilmarkt der Welt relevant zu bleiben.
Tatsächlich ist die Gefahr der Bedeutungslosigkeit für westliche OEMs real, wie die sinkenden Zulassungszahlen bis 2024 in einem wachsenden Markt zeigen. Die einheimischen NEV-Hersteller, allen voran BYD und Geely, verzeichnen dagegen einen Anstieg der Auftragseingänge im Jahr 2024. Sie entwickeln, bauen und verkaufen in ihren Heimatmärkten bereits eine neue Generation intelligenter und vernetzter Fahrzeuge (Intelligent and Connected Vehicles, ICV).
Die beigefügte Analyse untersucht die Möglichkeiten, die ausländische Automobilhersteller und Zulieferer in Betracht ziehen müssen, um in China wieder Anschluss zu finden und in der zunehmend lokalisierten und innovationsgetriebenen chinesischen Landschaft zu bestehen.
Sinkende Preise, aber die Zahl der Technik-Features in chinesischen Autos steigt
Derzeit sind Premiumfahrzeuge in China so günstig wie nie zuvor: Modelle von Marken wie ZEEKR, Denza, IM und DeepAI kosten umgerechnet nur 30.000 bis 35.000 Euro. Der Preisdruck wird von den OEMs direkt an die Zulieferer weitergegeben. Geringe Profitabilität, lange Kapitalumschlagszeiten und häufige Forderungen der Hersteller nach Preissenkungen erhöhen den Druck auf Chinas Automobilzulieferer.
Die europäischen Hersteller waren es über Jahrzehnte gewohnt, dass sinkende Fahrzeugpreise mit einer Reduzierung des Ausstattungsumfangs, dem so genannten Decontenting, einhergingen. Ein Mittel, um die Margen auf einem erträglichen Niveau zu halten. Willy Wang, Associate Partner bei Berylls by AlixPartners: „In China sinken zwar die Preise, aber chinesische Autos sind immer noch vollgestopft mit Technik und digitalen Features. Die Zahl der Funktionen nimmt sogar noch zu. Denn der technische Overkill ist neben dem Preis das wichtigste Instrument, um sich von anderen Marken abzuheben.“ In der Wahrnehmung der chinesischen Kunden haben die westlichen OEMs diesem Trend wenig entgegenzusetzen.
Doch der Führungsanspruch bei elektrischen Antrieben und intelligenten Fahrzeugfunktionen bei Assistenz- und Infotainmentsystemen ist nur ein Etappenziel der chinesischen Hersteller. Sie widmen ihre Entwicklungskapazitäten zunehmend den klassischen Fahrzeugeigenschaften. Fahrdynamik, Handling, Bremsverhalten und Fahrkomfort, bisher unangefochtene Domänen westlicher OEMs, gewinnen rasant an Bedeutung und werden auch von den chinesischen Kunden sehr geschätzt.
Chinesische Hersteller besitzen eine Erfolgsformel
Mehr als ein Jahrhundert lang wurden Autos mit dem Fahrer im Mittelpunkt entwickelt. Mit dieser scheinbar ehernen Regel haben die chinesischen Hersteller gebrochen. Sie stellen die Passagiere ins Zentrum ihres Strebens und bieten ihnen so viel Unterhaltung und Komfort wie möglich. Sitze lassen sich in Betten verwandeln, große Projektionsflächen und Monitore machen das Auto zum Kinosaal. Die Karaoke-Funktion, die heute in vielen chinesischen Autos selbstverständlich ist, war nur ein spielerischer Auftakt, der zeigt, wohin die Reise geht. Bei Durchschnittsgeschwindigkeiten von acht km/h in chinesischen Metropolen wie Shanghai, stehen andere Eigenschaften im Vordergrund als das letzte Quäntchen Rückmeldung von der Lenkung oder ein neutral ausbalanciertes Fahrwerk.
Die chinesischen Hersteller haben das erkannt, und so liegt der Schlüssel zu ihrer Dominanz auf dem heimischen NEV-Markt in einer Erfolgsformel, die eine Fülle von Technik- und Komfortmerkmalen mit einem aggressiv niedrigen Preis verbindet. Eine Formel, die im krassen Gegensatz zu den typischen Kundenangeboten internationaler OEMs steht, bei denen das Fahrerlebnis und nicht die Bedürfnisse und Anforderungen der Passagiere wichtig sind.
Schnelle Adaption an Kundenwünsche absolut notwendig
Zur Erfolgsformel der chinesischen OEM gehören auch ihre schlanken Strukturen und schnellen Entwicklungsprozesse. Sie ermöglichen eine schnelle Anpassung an veränderte Kundenwünsche. Besonders deutlich wird dies beim Blick auf die wachsende Bedeutung von Assistenzsystemen und automatisierten Fahrfunktionen. Für chinesische Kunden sind sie mittlerweile auch in preisgünstigen Modellen ein Muss. Entsprechend hoch ist ihre Priorität bei den Herstellern, was zu einer Ausstattungsquote von über 55 Prozent bei chinesischen Neuwagen geführt hat (Stand Q2 2024).
Dr. Jan Burgard: „Wir gehen davon aus, dass die chinesischen OEMs ihre Erfolgsformel für NEVs weiterverfolgen und noch mehr Funktionen in die Fahrzeuge integrieren werden. So wird sich das typische chinesische NEV schnell zu einem technologiegeladenen People-Mover entwickeln, der Komfort und Fahrspaß bietet und bei den chinesischen Verbrauchern gut ankommt.“ NEVs dieser Art sind zweifellos bemerkenswerte und begehrenswerte kommerzielle Angebote auf dem größten Automobilmarkt der Welt.
Europäische Hersteller müssen „in-China-für-China“-Ansatz folgen
Wie kann die internationale Konkurrenz dagegenhalten? Ein radikaler Bruch mit ihrer bisherigen Strategie ist unausweichlich. Vor allem die deutschen Premiumhersteller müssen ihr Denken und Handeln an der Maxime „in-China-für-China“ ausrichten. Sie müssen ihre Produkte speziell auf diesen Markt und die Bedürfnisse seiner Kunden ausrichten. Willy Wang: „Es reicht aber nicht aus, mit den chinesischen OEMs gleichzuziehen und den Kunden ein ähnliches Fahrerlebnis zu bieten.“ Damit ausländische Hersteller in China ihre Preisaufschläge rechtfertigen und mehr Käufer gewinnen können, müssen sie ihre lokalen Konkurrenten mit zusätzlichen Features ausstechen.
Der Schlüssel zum Erfolg liegt auch in einer hohen Flexibilität und der Fähigkeit, das Produktportfolio und die Produktmerkmale schneller als die lokale Konkurrenz anzupassen, um die Innovationsführerschaft zurückzuerobern. Diese Fähigkeiten stehen jedoch im klaren Gegensatz zum traditionellen Ansatz der internationalen OEMs, der auf langfristigen Zyklusplänen basiert.
Viele weitere detaillierte Informationen, Fakten und Zahlen finden Sie im beigefügten Dokument.