Globale Vorbilder: Südkorea, Japan und die USA
Ein Blick über die Grenzen Europas zeigt, dass andere Nationen bereits gute Lösungen für diese Problematik gefunden haben. Sie setzen auf gezielte Lagerstrategien, um wirtschaftliche und geopolitische Risiken zu minimieren und ihre Industrie unabhängiger zu machen. Diese Länder kombinieren staatliche Maßnahmen mit der Unterstützung privater Initiativen und bieten damit praxisnahe Modelle für die Zukunft:
- Südkorea: Mit der „Industrial Supply Chain 3050 Strategy“ baut das Land öffentliche Lagerbestände aus und unterstützt privatwirtschaftliche Sicherheitsreserven.
- Japan: Die Japan Oil, Gas and Metals National Corporation (JOGMEC) koordiniert seit den 1980er Jahren die strategische Rohstofflagerung, etwa für Seltene Erden.
- USA: Das National Defense Stockpile hält Metalle vor, die für die nationale Verteidigung und das zivile Leben unerlässlich sind.
- China: Man geht davon aus, dass die The National Food and Strategic Reserves Administration Lagerbestände aller wichtigen Rohstoffen – von Agrarprodukten bis hin zu Technologiemetallen wie Germanium – aufgebaut hat.
Unternehmen: Besser handeln statt abwarten
Bis das EU-weite Programm greift, liegt es weiterhin in der Verantwortung der Industrie, eigene Vorkehrungen zu treffen. In Deutschland gilt die Rohstoffversorgung ohnehin als Aufgabe der Wirtschaft, wie die Bundesregierung in ihrer aktuellen Rohstoffstrategie betont. Dennoch zeigt die Praxis, dass zu wenige Unternehmen reagieren. Chinas Exportauflagen für Gallium und Germanium im Sommer 2023 und die lange Bearbeitungsdauer für die Erteilung der Ausfuhrlizenzen haben dazu geführt, dass für über zwei Monate nahezu keine Metalllieferung das Reich der Mitte verließ. „Obwohl ein Weckruf nicht eindringlicher sein kann, haben nur wenige der rohstoffverarbeitenden Unternehmen in Europa ihre Lagerbestände erhöht“, weiß Matthias Rüth.
Kennzahlenorientierte Firmen halten meist nur geringe strategische Rohstoffvorräte vor. Das ist nachvollziehbar, birgt jedoch erhebliche Risiken. Steuerliche Nachteile und der hohe Kapitalbedarf für den Aufbau von Sicherheitsbeständen erschweren die Lagerhaltung. Die Kosten für die Bevorratung belasten die Liquidität, während die wirtschaftliche Lage vieler Firmen kaum Spielraum für solche Investitionen lässt. Dennoch sollten Unternehmen die Alternativen abwägen: Was heute wie eine finanzielle Herausforderung wirkt, kann sich im Vergleich zu den Konsequenzen eines Produktionsstillstands durch Lieferausfälle schnell relativieren.