"Eine Ausschreibung ist ein hingeworfener Knochen, den man zunächst gelüstig umschleicht und dann packt, um Spaß daran zu haben oder sich zu verschlucken" kann man im "Handbuch Baubetrieb" von 1991 nachlesen. Daran hat sich seither nichts geändert und so ist die Angebots- bzw. Auftragskalkulation weiterhin der Balanceakt auf dem schmalen Grat, einerseits kostendeckend und gewinnbringend kalkulieren zu müssen, anderseits aber den Auftrag gegen den enormen Preisdruck der Konkurrenten „ins Haus zu holen“.
Arbeitskalkulation ist die Basis fürs Controlling
Ganz anders stellt sich die Situation dar, nachdem ein Auftrag gewonnen wurde. Dann erst beginnt nämlich die eigentliche Planungsarbeit. In dieser Phase findet auch die Überarbeitung der Kalkulation auf der Basis der konkreten Planung des Bauablaufs statt. Zudem stellt man die kalkulatorischen Annahmen aus der Vorkalkulation auf den Prüfstand. So werden Lohn-, Geräte-, Material- und Leistungsansätze durchgecheckt und verfeinert; der Einkauf legt die endgültigen Material- und Subunternehmerpreise fest. Regelmäßig wird auch untersucht, ob je nach Auslastung und Kostensituation bestimmte Leistungen selbst oder eventuell doch von Subunternehmern ausgeführt werden, ob Eigengerät oder Fremdgerät eingesetzt wird, usw. Mit dieser Überarbeitung der Vorkalkulation zur (ersten) Arbeitskalkulation legt man die Grundlagen für das Projektcontrolling.
Ein weiterer vorbereitender Arbeitsschritt ist die „Auflösung“ von Zuschlägen für Baustellengemeinkosten. Wurden solche Zuschläge in der Vorkalkulation verwendet, so müssen sie in der Arbeitskalkulation durch Einzelkosten der Teilleistungen ersetzt werden, indem dafür eigene LV-Positionen geschaffen werden.
Leider wird ein Leistungsverzeichnis ohnehin in den wenigsten Fällen dazu geeignet sein, das Projektcontrolling darauf aufzubauen. Also heißt es, das LV – je nach der geplanten Ausführung - in Arbeitspakete umzuorganisieren. Die Arbeitspakete dienen dann übrigens auch als Grundlage für den Bauzeitenplan.
Permanente Fortschreibung der Arbeitskalkulation ist unerlässlich
Während der Bauausführung müssen die Kalkulationsannahmen dann kontinuierlich weiter überprüft werden. Neue Gegebenheiten und Erkenntnisse werden in die jeweils aktuelle Arbeitskalkulation eingearbeitet. Arbeitskalkulation ist demnach kein einmaliger Vorgang, sondern ein stetiger Prozess. Hierbei ist es vorteilhaft, wichtige Zwischenstände der Arbeitskalkulation zu speichern und für spätere Vergleiche (wie z.B. die Deckungsbeitragsentwicklung) vorzuhalten.
Auswertungen bieten verschiedene „Blickwinkel“ aufs Projekt
Je nach Fragestellung lassen sich nun unterschiedliche Zeiträume und Szenarien betrachten. Interessant ist sowohl die Kostenanalyse für die bereits verstrichene Bauzeit zu jedem beliebigen Stichtag als auch die Sicht vom aktuellen Datum aus auf das Bauende. Man kann hierbei Plan-Plan-Vergleiche, Soll-Ist-Vergleiche und Prognosen unterscheiden.
Plan-Plan-Vergleiche
Wollen wir Aufschluss darüber erhalten, wie sich die Kostensituation über den Verlauf der Bauzeit entwickelt, dann müssen wir die Kalkulation in den einzelnen Stadien miteinander vergleichen, z.B. die Kalkulation zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (Auftragskalkulation ) im Vergleich zur aktuellen Arbeitskalkulation. Aber auch jedes andere Kalkulationsstadium sollte mit jedem anderen verglichen werden können – je nach aktuellem Informationsbedarf.
Soll-Ist-Vergleich zum Stichtag
Werden die ausgeführten Leistungsmengen als Basis der Berechnung herangezogen, ergeben sich Sollwerte. Diese Sollwerte kann man auf einfache Art zu einem Stichtag mit den aufgelaufenen Ist-Werten vergleichen. Dazu müssen die kaufmännischen Informationen zur Betrachtung hinzugezogen werden. Natürlich liegt auch hier „der Teufel im Detail“ z.B. wenn man sicher stellen will, dass die Istkosten auch tatsächlich korrekt den Sollkosten zugewiesen werden.
Prognose auf das Bauende
In der Prognose werden die bestehenden Daten ausgewertet, interpretiert und auf das zu erwartende Bauende hochgerechnet. Ob die Prognose dabei in die Details gehen soll - im Zweifelsfall bis hinunter zu den einzelnen Positionen - oder ob nur das Projektergebnis prognostiziert werden soll, ist hauptsächlich eine Frage des Berichtsaufwands. Denn auch hier gilt: Je detaillierter die Auswertung, desto höher die Anforderung an das Berichtswesen.
Damit die Prognose mehr ist als nur ein „Blick in die Glaskugel“, sollte man zu den bis zum Stichtag angefallenen Istkosten die voraussichtlich noch anfallenden Kosten addieren. Die wiederum ergeben sich, indem der noch nicht ausgeführte Teil der Leistungen auf Basis der aktuellen Arbeitskalkulation hochgerechnet wird. Das führt zu einer erheblich genaueren Prognose, als wenn man Abweichungen aus den Soll-Ist-Vergleichen aufs Bauende extrapolieren würde.
Fazit
Für ein baubegleitendes Projektcontrolling muss die ursprüngliche (Vor-) Kalkulation der tatsächlich geplanten Ausführung angepasst werden. Diese Arbeitskalkulation muss bei Änderungen in der Ausführung oder bei Änderung der Kosten fortgeschrieben werden. Den Auftrag und die Arbeitskalkulationen kann man dann für unterschiedliche Auswertungen heranziehen. In Verbindung mit den Ist-Werten aus der Kostenrechnung lassen sich Soll-Ist-Vergleiche zum Stichtag und Prognosen zum Bauende erstellen. Zeitgemäße Softwarelösungen wie z.B. Bau financials aus dem Hause Nemetschek Bausoftware GmbH unterstützen den Anwender bei diesen Aufgaben und machen das baubegleitende Projektcontrolling beherrschbar
Autor: Christian Hohm, Produktmanager der Nemetschek Bausoftware GmbH