Der asiatische Markt ist dem Unterhaltungselektronikhersteller nicht fremd. "Wir sind bereits in Singapur, Taiwan und Hongkong vertreten", so Michael Ditsche, Mitarbeiter im Vertrieb Ausland der Loewe AG. Der Auslandsanteil des Unternehmens liegt bei 50 Prozent. "Wachstum muss aus den Auslandsmärkten erfolgen. In den nächsten Jahren möchten wir den Anteil auf 60 Prozent steigern. Der chinesische Markt scheint über vielversprechende Potenziale zu verfügen. Bestätigt hat uns hier die Analyse von Frau Wang und Herrn Kuang, die uns als 'Einheimische' eine Innensicht des chinesischen Marktes eröffnet haben."
Shengxue Wang spricht Deutsch, obwohl sie erst seit wenigen Monaten in Hof lebt. Vier Jahre lang hatte sie Deutschunterricht an der Hochschule in China. An der FH Hof arbeitet die angehende Betriebswirtin an ihrem MBA-Abschluss. Peng Kuang spricht fließend Deutsch und ist in der Lage, selbst komplexe Zusammenhänge grammatikalisch einwandfrei zu formulieren. Er lebt bereits seit drei Jahren in Bayreuth. Kuang studierte Journalistik, Kommunikations- und Medienwissenschaften. An der Uni Bayreuth arbeitet er an seiner Promotion. Beide möchten nach ihrem Studium in Deutschland arbeiten.
Vier Wochen lang haben sich die beiden Studenten mit dem Unternehmen Loewe vor Ort in Kronach beschäftigt, haben sich mit Produkten und Kennzahlen auseinandergesetzt. Und dann folgte eine Reise in die Heimat - und doch ins Ungewisse. "Wir hatten einen sehr umfangreichen Fragebogen ausgearbeitet, der uns als Leitfaden für die Befragung von Fachhändlern dienen sollte. Doch als die ahnten, dass wir quasi 'Abgesandte' eines europäischen Unternehmens waren, da war die Kommunikationsbereitschaft nicht mehr so groß. Damit hatten wir zunächst nicht gerechnet. Wir mussten unsere Strategie ändern und ohne gedruckten Bogen, dafür mit Interviews und Testkäufen, arbeiten", berichtet Peng Kuang.
75 Prozent des Absatzes im TV-Bereich werden in China mit einheimischen Produkten gedeckt. "Chinesen haben großes Vertrauen in ihre eigenen Produkte", erläutert Shengxue Wang. "Der Massenmarkt wird durch kleinformatigere Geräte im niedrigeren Preissegment dominiert. Chinesische Wohnungen sind nicht besonders groß. Der Platz für großformatige Bildschirme ist meist nicht vorhanden." Und ihr Kollege Peng Kuang ergänzt: "Andererseits gibt es eine wachsende Anzahl von Menschen, die man als reich oder sogar superreich bezeichnen kann. Laut Schätzungen liegt die Zahl derer, die über ein Vermögen von einer Million Euro und mehr verfügen bei 850.000. Dagegen liegt ein mittleres Jahreseinkommen in China bei 15.000 bis 30.000 Euro. Die Mittelschicht und ganz besonders die Reichen und Superreichen legen enormen Wert auf Statussymbole." Kuang weiter: "Luxusartikel, wie Kleidung und Accessoires, signalisieren Status und definieren die Gruppenzugehörigkeit - und das weit mehr, als es in Europa üblich ist. Die reiche Schicht kann sich Wohneigentum leisten und möchte repräsentieren. Die Kenntnis über Luxusartikel ist sehr hoch. Wer sich mit 'Louis Vuitton' etc. auskennt, der gehört dazu. Europäische Luxusgüter genießen hohes Ansehen und Vertrauen bei den Chinesen. Sie stehen für Prestige und Qualität." Peng Kuang: "Die Zielgruppe von Loewe ist definitiv die chinesische Upperclass, die Reichen und Superreichen. Doch die Marke ist in China noch nicht sonderlich bekannt."
Wie sich das ändern ließe, haben die beiden engagierten Studenten herausgefunden: "Wir haben die beiden Hauptmerkmale des chinesischen Marktes definiert: Das sind Luxus und Kollektivismus. Hier müssen wir ansetzen. Wir sehen eine große Chance in strategischen Partnerschaften mit anderen, in China bereits etablierten, Luxusmarken." Peng Kuang: "Reiche Chinesen kaufen ihre Wohnungen meist als Komplettpaket. Deshalb ist die Präsenz in diesen luxuriösen Musterwohnungen auch von Vorteil." Beim Markteintritt mit einer eigenen Loewe Galerie in Shanghai sei auf die Besonderheiten im Informations- und Kommunikationsverhalten zu achten, so die Empfehlung der beiden Studenten. "Die Service- und Kommunikationsstruktur muss stimmig und von Anfang an sehr hoch angesiedelt sein. Die Mundpropaganda hat in China - Thema 'Kollektivismus' - einen sehr hohen Stellenwert. Das Internet ist für die jungen Leute das Informationsmedium schlechthin. Und: Frauen und junge Leute sind in den Familien in aller Regel die Entscheider, während die Älteren meist die Geldgeber sind."
Die Erkenntnisse, die Shengxue Wang und Peng Kuang in den wenigen Wochen zusammengetragen haben, sollen, in Zusammenarbeit mit den Vertriebsexperten von Loewe, weiter vertieft und in einen konkreten Businessplan eingearbeitet werden.