Lale Akgün, Islambeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, plädierte für mehr Migranten in den Sendern, nicht nur in der Produktion und der Verwaltung, sondern auch vor der Kamera: "Medien sind dann interessant, wenn die Leute sich wiederfinden, wenn Wirklichkeit gespiegelt wird." Dazu gehöre auch ein im besten Sinne buntes Fernsehen. Dies berge allerdings ein höheres Resonanz-Risiko für die Macher. Denn viele Sendungen bedienten bislang mit Erfolg ganz gezielt Klischees, weil das Quote bringe: "Exotik kommt einfach besser an als Normalität", so Akgün. Dabei sehe die Realität längst anders aus als die Bilder in den Köpfen, die durch mediale Klischees noch verstärkt würden.
Eben eine solche Normalität nehme sie für sich in Anspruch, sagte Aylin Selcuk, Gründerin des Forums "Deukische Generation", in der Podiumsdiskussion zum Thema "Integration durch muttersprachliche Medien?". Ganz eindeutig sei Deutschland ihr Lebensmittelpunkt, aber sie wolle natürlich auch von ihrer Herkunft nicht absehen. Sie nutze, so Selcuk, gleichermaßen türkische und deutsche Medien, um sich zu informieren und um sich zu unterhalten. "Ich nehme mir das Beste aus beiden Kulturen. Einen Migrationshintergrund zu haben, war für mich schon immer vor allem eine Bereicherung."Auch Sineb El Masrar, Chefredakteurin des interkulturellen Frauenmagazins "Gazelle", sprach sich für Selbstbewusstsein der Migranten aus. Unverzichtbar für eine solche Position sei, zentral die deutsche Sprache zu benutzen. Diesen Aspekt betonten auch alle anderen Diskutanten.
Wie sich der Umgang der Medien mit Einwanderern und ethnischen Minderheiten außerhalb Deutschlands darstellt, zeigten drei "Blicke nach draußen". Horst Pöttker von der Universität Dortmund legte dar, wie spezifische medienrechtliche Grundlagen in den USA beispielsweise den Status von Migranten in den Medien, auch bei der Beschäftigung selbst, kontinuierlich verbessert haben. Ed Klute(Mira Media, Utrecht) führte aus, wie die Initiative "More Colour in the Media" in den Niederlanden zu einer selbstverständlichen Präsenz der Einwanderergruppen in den Medien geführt habe.Dagegen berichtete die Italien-Korrespondentin der "Zeit", Birgit Schönau, von einer Reihe von negativen Erscheinungen in Italien.Selbst seriöse Tageszeitungen und die öffentlich-rechtliche RAI stellten die Migrantengruppen voller negativer Vorurteile in einer generellen Stimmungsmache dar.
Michael Mangold von der Bundesinitiative Integration und Fernsehen stellte türkische Unterhaltungsformate vor, die in der Türkei, aber auch in vielen deutsch-türkischen Wohnzimmern ein großes Publikum fänden. Viele der Serien und Filme griffen gesellschaftliche und politische Themen in unterhaltsamer Weise auf. Dies könne auch Vorbild sein für deutsche Sender: "Wir müssen mutiger sein, um im Vorabend-Unterhaltungsprogramm auch öfter derartige Inhalte zu verarbeiten", so Mangold. Dies solle durchaus ohne politische Korrektheit geschehen. "Eine offene Auseinandersetzung mit Tabuthemen muss möglich sein."
Der Fachkongress zeigte viele Perspektiven und Beispiele für konstruktive Haltungen, zugleich wurden Anforderungen und Forderungen formuliert. Eine davon brachte die Journalistin Ferda Ataman auf den Punkt: "Medienmacher, auch Journalisten, sollten sich fragen, für wen sie eigentlich ihre Beiträge und Sendungen produzieren. Und sollten dann vielfältige – und auch ‚migrantische’ –
Perspektiven einbeziehen." Immerhin gehörten zum interkulturellen Publikum in Deutschland rund 15 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund.
Texte der Veranstaltung sind auf www.grimme-institut.de dokumentiert. Bei Rückfragen und für weitere Informationen stehen wir Ihnen gern zur Verfügung.