Um die Verwaltung aber für die Zukunft dienstleistungs- und somit kundenorientierter aufzustellen, muss vorab eine Bestandsaufnahme des Ist-Zustands gemacht werden. Denn nur auf Basis einer sauber dokumentierten Aufbau- und Ablauforganisation der Verwaltung lassen sich Transparenz schaffen und sinnvolle Reorganisationsmaßnahmen identifizieren. Punktuell sind schon einige Verwaltungen in das Thema Prozessmodellierung und Prozessverbesserung eingestiegen. Allerdings sind die meisten Verwaltungen bisher vor einer flächendeckenden Erfassung zurückgeschreckt. Eine Umfrage des ERCIS aus dem Jahr 2006 unter knapp 10.000 Kommunalverwaltungen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zeigt die Gründe auf. Häufig wurden demnach die fehlende methodische Unterstützung, das fehlende Know-How und der zu hohe Aufwand des Personals sowie ein Mangel an finanziellen Mitteln genannt.
Aus diesen Gründen hat bisher so gut wie keine Verwaltung eine vollständige Übersicht und Beschreibung aller Dienstleistungen und der damit verbundenen Prozesse. Doch dies gehört zumindest für eine Verwaltung der Vergangenheit an, denn gemeinsam mit der Gemeinde Altenberge ist es den Mitarbeitern des ERCIS gelungen, erstmalig und einmalig in Deutschland eine komplette Erfassung und Beschreibung aller Verwaltungsprozesse einer kommunalen Gemeindeverwaltung vorzunehmen.
Um dieses Ziel zu erreichen, kam die PICTURE-Methode zum Einsatz, die speziell für die Erfassung und Beschreibung von Prozessen in öffentlichen Verwaltungen entwickelt wurde und im Hinblick auf die oben genannten Problembereiche einige Vorteile aufweist. „Die PICTURE-Methode ist leicht verständlich und daher auch für die Mitarbeiter ohne großen Schulungsaufwand bedienbar. Außerdem wird durch die anpassbaren Prozessbausteine genau das in den Prozessmodellen abgebildet, was für spätere Analysen benötigt wird. Der Aufwand für die Erstellung der Prozessmodelle wird also möglichst gering gehalten,“ verspricht Dr. Lars Algermissen, Leiter des Kompetenzzentrums E-Government.
In der Projektlaufzeit von knapp fünf Monaten wurden insgesamt 472 Verwaltungsprozesse durch 88 Interviews erfasst und mit der PICTURE-Methode beschrieben. Pro Interview wurden regelmäßig nicht mehr als zwei Stunden aufgewendet inklusive Vor- und Nachbereitung. Über die Projektlaufzeit hinweg wurde angesichts der Verwaltungsgröße von ca. 50 Mitarbeitern mit fast jedem Mitarbeiter gesprochen, um alle Prozesse abdecken zu können. „Die positive Besonderheit gegenüber anderen mir bekannten Projekten besteht darin, dass die Ergebnisse erzielt werden konnten ohne dass einer meiner Mitarbeiter mehr als einen Tag seiner Arbeitszeit für die Erfassung investieren musste“, so Bürgermeister Jochen Paus.
Zur Anwendung der Methode existiert ein entsprechendes Softwarewerkzeug, mit dessen Hilfe die Prozesse erfasst, visualisiert und ausgewertet werden können. Der Prozesskatalog, das PICTURE-Werkzeug sowie ein Projektbericht werden im Rahmen der jährlich vom ERCIS organisierten Tagung MEMO – „Methoden und Werkzeuge zur Verwaltungsmodernisierung“ auf einem Messestand sowie im Rahmen eines Praxisvortrags gemeinsam vorgestellt. Diese und andere Themen, wie z.B. die Frage, wie man durch Anwendung der PICTURE-Methode den Aufwand zur Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie reduzieren kann, werden am 4. und 5. Juni 2008 in Münster in der Historischen Reithalle des Leonardo-Campus vorgestellt. Weitere Informationen zu PICTURE finden Sie unter www.picture-methode.de sowie zur Tagung unter www.memo-tagung.de.