"Nach der klassischen Methode vergehen vom Beginn der Analysephase über die Ausschreibung bis zur Teststellung inklusive Vertragsverhandlungen oft mehrere Monate oder Jahre", schildert Managing Consultant Thorsten Wolter von Detecon das Dilemma. In einem zunehmend volatilen Marktumfeld können so bei der Vertragsunterzeichnung mit dem Anbieter bis zu 30 Prozent der Anforderungen als überholt gelten.
Gründe dafür sind beispielsweise Änderungen in der Projektumgebung, strategische Neuausrichtungen, neue Entwicklungen oder die große Anzahl der involvierten Fach- und IT-Abteilungen mit konkurrierenden Anforderungen sowie ein komplexes Geflecht von abhängigen Applikationen. "Der konservative Request-for-Proposal-Prozess verlangt eine 95-prozentige Erfassung der IT-Anforderungen", erklärt Senior Consultant Bernhard Knögler von Detecon. "Für Kleinprojekte ist das von Vorteil. Bei komplexen Projekten lassen sich aber fast ein Drittel der Anforderungen gar nicht oder nur rudimentär erfassen." Ein präziser Anforderungskatalog, mit dem die Leistungen verschiedener Lösungsanbieter abgeglichen und selektiert werden, ist somit kaum denkbar. In der Praxis drohen deshalb in 70 bis 80 Prozent der Fälle Budget-Überschreitungen. Das kann sogar zum Abbruch des Systemintegrationsprojektes führen.
Detecon empfiehlt in der IT-Systemauswahl bei Großprojekten daher die Verwendung von agilen Methodiken wie sie beispielsweise auch aus der agilen Softwareentwicklung bekannt sind. Eine der wesentlichen Bedingungen hierfür ist jedoch, dass die gewählten Produkte einen höheren Freiheitsgrad in der Implementierung erlauben. Das ist beispielsweise bei Standardsoftware der Fall.
Agile Methodiken zeichnet sich dadurch aus, dass nach der internen Auswahl geeigneter Produkte mit den zum Request-for-Proposal eingeladenen Systemintegratoren bereits eng und partnerschaftlich zusammengearbeitet wird, wobei die eigentlichen Lösungen gemeinsam während des Projektes erarbeitet werden. So ist es beispielsweise sinnvoll, bereits im Vorfeld der Angebotsabgabe interaktiv und offen die Fähigkeiten und Möglichkeiten der gewählten Software aufzuzeigen. Durch dieses Verfahren wird schon vor der Angebotsabgabe ein detailliertes Verständnis über Prozessstrategien und Anforderungen entwickelt. Vereinbart man zudem ein tragfähiges Risk-Sharing und räumt die Möglichkeit ein, im Projektverlauf auch Änderungen im Lösungsdesign zuzulassen, wird das Augenmerk nicht nur auf das gewünschte Ergebnis, sondern auch auf die Befähigung der Systemintegratoren gelenkt, dieses Ergebnis auch zu erreichen.
"Entscheidend bei agilen Auswahlprozessen ist es, den Anbieter nicht als Lieferanten, sondern als Partner zu sehen, der bei fairer Risikoverteilung ein flexibles Basisprodukt bedarfsgerecht anpasst. Das ist eine grundsätzlich andere Art und Weise der Zusammenarbeit", führt Thorsten Wolter aus. "Die Anpassung des Ausschreibungsprozesses ist in der aktuellen Situation der IT-Industrie jedoch genau der richtige Weg, um sich den ständig ändernden Marktbedingungen entsprechend flexibel gegenüber zu zeigen."