Stand: Freitag, 19. Dezember 2025, um 17:55 Uhr
Apotheken-News: Bericht von heute
Der Kabinettsentwurf zum ApoVWG wird in Baden-Württemberg als Stärkung heilberuflicher Kompetenzen bewertet, zugleich bleibt die Finanzachse über das Fixum als offene Stabilitätsfrage im Raum. In einer parallelen Ordnungslinie zeigt ein Beschluss des OLG Brandenburg, wie strikt die Unfallversicherung über Fristen und ärztliche Prognosen gesteuert wird und warum Kulanzleistungen ohne Anerkenntnis keinen Anspruch ersetzen. Im Markt verschärft dm-med den Preisdruck im OTC-Segment, sodass ein Inhaberbrief an Außendienst und Herstellerbeziehungen als Indikator für eine neue Preis- und Partnerlogik gelesen werden kann. Zusammen ergibt sich eine Tageslage, in der Versorgung nicht nur politisch entschieden, sondern durch Verträge und Kalkulation im Alltag begrenzt oder ermöglicht wird.
ApoVWG aus Kammerperspektive, heilberufliche Aufgaben, Fixumdruck bleibt
Der Kabinettsbeschluss zum Apothekenversorgung-Weiterentwicklungsgesetz setzt in Baden-Württemberg einen Ton, der zugleich Zustimmung und Restspannung trägt. Die Landesapothekerkammer lobt, dass heilberufliche Elemente stärker in den Mittelpunkt rücken und Prävention nicht nur als Zusatz, sondern als Systemauftrag verstanden wird. Das ist politisch anschlussfähig, weil es nicht nach Sonderinteresse klingt, sondern nach Versorgungslogik.
In der Begründung der Kammer steckt ein Ordnungsargument, das sich seit Jahren durch die Reformdebatte zieht: Mehr Verantwortung soll nicht als Ausweitung um der Ausweitung willen gelten, sondern als Nutzung vorhandener Kompetenzen. pDL, Impf- und Testangebote werden dabei als Brücke beschrieben, die niedrigschwellige Zugänge schafft und zugleich das Berufsbild konturiert. Der Kern ist die Behauptung, dass die Infrastruktur bereits da ist, sodass der Gesetzgeber nicht neu erfinden muss, sondern nur sauber zuordnen soll.
Auffällig ist der Verweis auf den Prozess selbst. Der „wertschätzende Umgang“ im Vorfeld des Kabinetts wird herausgestellt, also die politische Kommunikation als Signal an die Berufsvertretung. Das ist mehr als Höflichkeit, weil ein Entwurf, der im Oktober als Referentenstand vorgestellt wurde, in wesentlichen Punkten als korrigiert bewertet wird. Die Kammer markiert damit, dass Einflussnahme statt Frontstellung funktioniert hat, wenn kritische Elemente gestrichen oder entschärft werden.
Gleichzeitig bleibt die wirtschaftliche Achse als offene Flanke stehen. Das Fixum wird nicht als Detail geführt, sondern als Existenzfrage für Betriebe, die in der Fläche hängen. Der Hinweis auf den Koalitionsvertrag ist dabei ein harter Anker, weil er politische Selbstbindung benennt, ohne neue Forderungsrhetorik aufzubauen. Es entsteht das Bild einer Reform, die fachlich begrüßt wird, deren Finanzkern jedoch weiter als unvollständig gilt.
Für die Gesamtlage bedeutet das: Zustimmung ist möglich, ohne Entwarnung zu geben. Die Kammer stellt nicht das Gesetz als Endpunkt dar, sondern als Schritt, der heilberufliche Ordnung stärkt, während die ökonomische Stabilisierung als zweite Schiene weiter offen bleibt. Genau diese Doppelspur wird im parlamentarischen Verfahren zum Prüfstein, weil jede Kompetenzzuteilung im Alltag nur trägt, wenn Betriebe sie auch leisten können.
Invaliditätsfeststellung und Fristlogik, OLG Brandenburg, Kulanz bleibt ohne Bindung
Die private Unfallversicherung wirkt auf den ersten Blick wie ein Versprechen nach dem Ereignis, doch sie ist in Wahrheit ein Vertrag über Nachweise. In dem Fall, der vor dem Oberlandesgericht Brandenburg landete, wurde genau diese Differenz zur entscheidenden Grenze. Nicht die Schilderung der Beschwerden stand im Zentrum, sondern die Frage, ob eine Invalidität fristgerecht und inhaltlich tragfähig ärztlich festgestellt wurde.
Ausgangspunkt war ein behauptetes Unfallereignis im November 2016, das später als Ursache schwerer Augenbeschwerden gedeutet wurde. Die Meldung erfolgte im November 2018, also in einem Zeitfenster, in dem Fristen nicht mehr Kulisse sind, sondern Anspruchsvoraussetzung. In vielen Bedingungen gilt: Invalidität liegt nur vor, wenn eine dauerhafte Beeinträchtigung ohne Aussicht auf Besserung prognostisch greifbar ist, und sie muss innerhalb einer festgelegten Frist schriftlich ärztlich festgestellt werden. Dieser doppelte Filter trennt Befund von Anspruch.
Der vorgelegte Arztbericht hatte Diagnosen und subjektive Sehstörungen, aber keine klare Prognose zur Dauerhaftigkeit. Genau dort kippt der Fall juristisch, weil Gerichte nicht nur nach medizinischer Plausibilität fragen, sondern nach dem vertraglich geforderten Feststellungsgehalt. Ein Bericht kann medizinisch ernst wirken und dennoch rechtlich nicht genügen, wenn er die Zukunftslinie nicht zieht. Das klingt streng, ist aber die Logik eines Systems, das Dauerleistungen kalkulierbar halten will.
Hinzu kamen ärztliche Stellungnahmen, die eine schwere, dauerhafte Einschränkung verneinten oder zumindest nicht bestätigen konnten. Besonders belastend war die Unklarheit der Kausalität, also der Zusammenhang zwischen dem behaupteten Ereignis und den später geltend gemachten Defiziten. Wenn Ursache und Dauer gleichzeitig unscharf bleiben, verstärkt das die Wirkung der Fristregeln. Aus Streit wird dann nicht nur ein Friststreit, sondern ein Beweisstreit mit Fristkante.
Spannung erzeugten die geleisteten Zahlungen, die als Regulierungssignal gelesen werden können. Genau hier liegt ein häufiger Erwartungsbruch: Kulanz kann Nähe suggerieren, bleibt aber rechtlich freiwillig und ohne Anerkenntnis, solange der Versicherer nicht ausdrücklich erklärt, dass er die Voraussetzungen als erfüllt ansieht. Der Versuch, über Treu und Glauben nach § 242 BGB einen Anspruch zu retten, zielt auf Vertrauen, verlangt aber einen belastbaren Vertrauenstatbestand. Reine Zahlungen reichen dafür regelmäßig nicht, wenn sie als Kulanz nachvollziehbar eingeordnet werden müssen.
Das Landgericht Potsdam hatte die Klage im Juli 2024 abgewiesen, das Oberlandesgericht Brandenburg wies die Berufung mit Beschluss vom 8. Mai 2025 zurück. Die Linie bleibt damit klar: Wer Invaliditätsleistungen will, braucht fristgerechte Feststellung mit Prognosegehalt, und spätere Nachlieferungen heilen den Defekt nur ausnahmsweise. Für die Praxis ist das die eigentliche Lehre, weil das Risiko nicht im Unfall allein steckt, sondern in der Dokumentation, die aus einem Ereignis einen Anspruch macht.
dm-med und Preisdruck, Inhaberbrief als Signal, Herstellerbeziehungen unter Spannung
Der Start von dm-med hat eine Debatte geöffnet, die weniger über Produkte als über Preisarchitektur geführt wird. Ein Inhaber aus Solms reagiert darauf mit einem Brief an Außendienstmitarbeitende der Hersteller, die im neuen Angebot besonders auffallen. Das ist ein ungewöhnlicher Kanal, weil er nicht die Konkurrenz direkt adressiert, sondern die Lieferkette, die Preissignale erst ermöglicht.
Im Kern steht ein Konflikt zwischen Rollenbildern. Außendienst ist in der Offizinwelt Kontaktfläche, nicht Entscheidungszentrum, und genau das wird im Brief anerkannt, während die Strategie der Unternehmen zugleich als nicht akzeptabel markiert wird. Damit entsteht ein Druckpunkt, der nicht auf Lautstärke setzt, sondern auf Verantwortung entlang der Wertschöpfung. Der Brief versucht, die Frage zu stellen, ob Hersteller noch als Partner der Fläche verstanden werden wollen oder als Treiber einer Preislogik, die stationäre Kalkulation unterläuft.
Die Reaktion zeigt, wie sensibel OTC geworden ist. Wenn „Kampfpreise“ die Wahrnehmung dominieren, wird Beratung nicht automatisch entwertet, aber sie wird betriebswirtschaftlich schwerer refinanzierbar. Das ist keine moralische Debatte, sondern eine Strukturfrage: Wer den Preisanker setzt, verschiebt Nachfrage, und wer Nachfrage verschiebt, zwingt Betriebe zu Gegenreaktionen, die selten elegant sind. Der Brief ist eine solche Gegenreaktion, weil er auf Beziehung statt Rabattmechanik setzt.
Interessant ist, dass einzelne Unternehmen bereits zurückgemeldet haben. Das wirkt klein, ist aber als Indikator wichtig, weil es zeigt, dass der Brief nicht nur Luft abgelassen hat, sondern als Signal gelesen wurde. Ob daraus eine Linie entsteht, hängt daran, ob Hersteller die Fläche als strategisches Gut behandeln oder als austauschbaren Absatzkanal. In vielen Kategorien entscheidet sich Loyalität nicht über ein Gespräch, sondern über das Preisregime, das im Hintergrund läuft.
Für die Apothekenlandschaft steckt darin ein Risiko, das über dm hinausreicht. Wenn eine Drogeriekette OTC stärker in Warenkorb-Logik zieht, entsteht ein Vergleichsrahmen, in dem Service und Beratung schwerer sichtbar werden. Betriebe müssen dann entweder Differenzierung im Gespräch schärfen oder Prozesse so ordnen, dass Preiswettbewerb nicht automatisch Verlust bedeutet. Der Brief ist ein Versuch, diesen Punkt früh zu markieren, bevor Gewöhnung einsetzt.
Im Ergebnis ist das kein Empörungsthema, sondern ein Marktsignal. Ein einzelner Inhaberbrief ersetzt keine Strategie, aber er zeigt, wie der Druck in die Beziehungen hineinsickert, die bisher als stabil galten. Genau dort liegt das Risiko: Nicht im lauten Konflikt, sondern im leisen Umbau der Erwartung, was OTC „kosten darf“ und wer die Folgen trägt.
DAC/NRF Winterlieferung und Rezepturordnung, Ph. Eur.-Verschiebungen, Identprüfung wird praxisnäher
Die DAC/NRF-Winterlieferung 2025/2 ist ein typisches Beispiel dafür, wie Regelwerkpflege unmittelbar in den Arbeitsalltag greift. Es geht nicht um spektakuläre Neuzugänge, sondern um Ordnung: Namensänderungen, überarbeitete Anlagen, ergänzte Identifizierungen und Hinweise, die die Nachvollziehbarkeit in der Rezeptur stärken. Gerade diese stille Arbeit ist in der Praxis oft wertvoller als jede große Ankündigung.
Ein Schwerpunkt liegt auf der Rechenhilfe „Osmolalität und Isotonisierung“, die Anpassungen in den DAC-Anlagen A und B ausgelöst hat. In Anlage A entfällt die alleinige Verwendung von Benzalkoniumchlorid zur Konservierung von Augentropfen, während Kombinationen fortbestehen und um Polihexanid erweitert werden. Das ist fachlich relevant, weil es Konservierungsentscheidungen breiter aufstellt und zugleich dokumentierbarer macht. Die zusätzliche Spalte mit Quellenbezügen in der Kombinationstabelle erhöht die Nachvollziehbarkeit, ohne den Betrieb in Literaturarbeit zu zwingen.
In Anlage B wird die Berechnung der Osmolalität expliziter angeleitet, und neue Substanzen mit spezifischer Gefrierpunktserniedrigung werden ergänzt. Die Präzisierung der Einheit auf K/% ist keine Pedanterie, sondern eine Korrektur, die Umrechnungen im Alltag stabiler macht. Solche Details sind oft der Unterschied zwischen „irgendwie passt es“ und „es ist rechnerisch sauber“, besonders wenn Betriebe standardisiert dokumentieren müssen.
Besonders interessant ist die Passage zu Cannabidiol, weil sie zeigt, wie Arzneibuchlogik und Versorgungspraxis auseinanderlaufen können. Mit dem Nachtrag 11.5 wurde Cannabidiol im Europäischen Arzneibuch aufgenommen, aber die Definition bindet die Substanz an pflanzliche Herkunft aus Cannabis sativa L. Damit entsteht eine Übergangslücke für synthetisches Cannabidiol, die durch Fortführung der DAC-Monographie unter neuem Namen geschlossen wird. Diese Ausnahme ist regelhaft begründet: Sie verhindert, dass Apotheken in einer Übergangsphase ohne tragfähige Monographie stehen, obwohl die Praxis den Stoff weiterhin führen muss.
Auch die „Alternative Identifizierung“ wird praxisnäher, weil für Substanzen wie Bisoprololfumarat und Naltrexonhydrochlorid die IR-Logik der Arzneibücher nicht immer operativ abbildbar ist. Wenn weder Referenzsubstanzen noch NIR-Datenbanken verfügbar sind, wird Dünnschichtchromatographie als realistische Route gestärkt. Dass sogar Fertigarzneimittel als Ausweichoption geprüft werden, markiert eine pragmatische Öffnung, die dennoch kontrolliert bleibt. Gleichzeitig wird klar benannt, wo Grenzen liegen, etwa bei der Trennbarkeit ähnlicher Betablocker ohne Gegenionenbezug.
Die Umbenennungen morphinhaltiger Vorschriften folgen einer Arzneibuchangleichung, die für Verordnungssicherheit relevant ist, weil Bezugsgrößen und Salzformen im Alltag schnell verwechselt werden können. Auch die Differenzierung bei Methadon- und Levomethadon-Lösungen adressiert praktische Risiken in der Abgabeorganisation, besonders bei Einzeldosis- und Mehrdosenbehältnissen. Ergänzungen zur Herstellungstechnik, etwa der optionale Einsatz eines Stabmixers ab bestimmten Ansatzgrößen, zeigen eine realistische Anpassung an Arbeitsbelastung und Fehlerquellen.
Schließlich gehören Streichungen zur Ordnung dazu. Wenn DAC-Monographien durch Arzneibücher ersetzt werden oder Substanzen nicht mehr verfügbar sind, ist die Bereinigung konsequent. Dass bei Ethacridinlactat-Monohydrat eine Ersatzlösung unter Verwendung eines Fertigarzneimittels laborseitig geprüft und als Hinweis hinterlegt wird, zeigt die Linie: Standardisierung bleibt Prinzip, Versorgung bleibt Zweck. Genau in dieser Balance liegt der praktische Wert der Lieferung, weil sie Ordnung schafft, ohne die Realität der Betriebe zu ignorieren.
An dieser Stelle fügt sich das Bild.
Ein Kabinettsentwurf kann Zustimmung erzeugen und trotzdem die Existenzfrage offenlassen, genau darin liegt die Spannung der Reformwoche. Parallel zeigt ein Versicherungsfall, wie hart Ordnung wirkt, wenn Fristen und Feststellungen den Anspruch filtern und Kulanz keine Bindung erzeugt. Im Markt drückt dm-med OTC in eine neue Preisgrammatik, die Beziehungen in der Lieferkette plötzlich zu Konfliktlinien macht. Zusammen entsteht ein Bild, in dem Versorgung nicht an Absicht scheitert, sondern an Nachweis, Zuständigkeit und Refinanzierung.
Dies ist kein Schluss, der gelesen werden will – sondern eine Wirkung, die bleibt. Systeme werden nicht stabil, weil sie Zustimmung sammeln, sondern weil sie Belastungspunkte ehrlich benennen und tragfähige Pfade daraus machen. Wenn Fixumfragen offen bleiben, Fristen über Ansprüche entscheiden und Preise die Kalkulation verschieben, entsteht Unsicherheit ohne großes Ereignis. Die Tageslage zeigt, dass Ordnung im Gesundheitswesen immer zugleich Politik, Vertrag und Markt ist. Wer das zusammen denkt, erkennt schneller, wo Risiken wachsen und wo Korrekturen überhaupt wirken können.
Journalistischer Kurzhinweis: Themenprioritäten und Bewertung orientieren sich an fachlichen Maßstäben und dokumentierten Prüfwegen, nicht an Vertriebs- oder Verkaufszielen. Entscheidend ist, ob Reformsignal, Vertragsmechanik und Preisarchitektur so zusammenspielen, dass Verantwortung überprüfbar bleibt und die Fläche nicht aus Kalkulation heraus erodiert.
Tagesthemenüberblick: https://aporisk.de/aktuell