Jedoch lässt sich diese Einschränkung leicht umgehen, wie das Beispiel eines großen Softwareherstellers zeigt, der sich anscheinend einen externen Wikipedia-Korrektor engagieren wollte, um unliebsame Einträge zum Unternehmen zu bereinigen. Das zeigt, dass es also keine wirkliche Kontrollmöglichkeit für den Zugang zu dieser Plattform gibt, außer der Community selbst, die bekanntlich mit Selbstdarstellern nicht zimperlich umgeht. Doch wie soll man diese Einschränkung in der Realität überhaupt umsetzen, wenn ein Projekt von dem demokratischen Prinzip „alle für alle“ lebt? Für eine so umfassende Bewegung wie Wikipedia wird es wohl bei den Empfehlungen durch die Wikipedia-Macher bleiben - einziger Kontrollmechanismus bleibt die Öffentlichkeit, die jeden erkannten Missbrauch entsprechend ächtet. Jedoch: Abgesehen von Wikipedia gibt es sicher Communities, die von einem geschickten Management des Zugangsbereichs profitieren würden – etwa in der Wissenschaft. Die besondere Herausforderung dabei ist es, den Spagat zu schaffen zwischen dem Ansturm der großen Masse – mit all ihrer Energie, sich an dem Projekt zu beteiligen, inklusive aller radikalen Elemente, die ein solcher Wind mit sich bringt – und dem Schutz der High Potentials einer Szene, die den wichtigsten Input bringen.
Um diese Anforderung zu erfüllen, müsste die Community-Architektur drei Nutzerebenen unterscheiden, ohne sie völlig voneinander zu trennen. Da ist zum ersten der „Inner Circle“, der die Community ins Leben gerufen hat, zum Beispiel mit dem Ziel eine bestimmte wissenschaftliche Diskussion in die breite Öffentlichkeit zu tragen, um sie durch externe Perspektiven etwa aus dem erweiterten Ökosystem eines Unternehmens zu bereichern und auf diese Weise frische Impulse zu erlangen. Diesem Inner Circle geht es in erster Linie natürlich um die Beiträge anderer Fachkreise. Ein Forum, das sich wissenschaftlich mit Gentechnik beschäftigt, könnte zum Beispiel Experten angrenzender Wissensgebiete auf seine Plattform einladen. Um diesen den vollwertigen Zugang zum Diskussionsforum zu erleichtern, – und der leichte Zugang ist eine der Grundvoraussetzungen für den Mitmach-Gedanken in Web 2.0 – könnte ihnen dieser durch föderative Identity Management-Systeme gewährt werden. Der Gedanke dabei ist: Die Forumsmitglieder aus einem vertrauenswürdigen Unternehmen, Institut, Forum oder einer anderen Organisation des Ökosystems können ungeprüft und damit schnell und einfach Zugang für dieses Expertenforum erlangen. Dadurch werden sie nicht durch aufwendige Anmelde- oder Einladeverfahren vom Zutritt abgeschreckt und können sich völlig frei innerhalb des Forums bewegen und ihre Ideen fließen lassen.
Was aber ist mit all den anderen frei schwirrenden Web 2.0-Nutzern, die in irgendeiner Form mit dem Thema zu tun haben oder an ihm interessiert sind? Auch sie sollen ja nicht von der Diskussion ausgeschlossen sein, schließlich liefern sie jene Intelligenz der Masse, die als Prüfstein für eine öffentliche Diskussion, eine Theorie oder Hypothese dienen kann. Ähnlich wie im Word-of-Mouth-Marketing ließen sich mit Hilfe etwa einer bestimmten Nutzergruppe einzelne Thesen vorab prüfen. Diese ausgewählte Nutzergruppe müsste jedoch wieder mit einem erweiterten Zugangsrecht ausgestattet werden, was wiederum über Identity Management gelöst werden kann.
Zuvor aber muss die Community ein Fenster in ihren Elfenbeinturm schnitzen, um sich von allen „da draußen“ auf die Finger schauen zu lassen. Durch dieses Fenster sollte sie auch deren Kommentare zu hören bekommen. Dieser Bereich wäre dann für alle zugänglich. Es wäre sogar möglich, dass sich Forumsbeobachter aufgrund ihrer Beiträge für einen engeren Zugangsbereich qualifizieren, etwa im Sinne der Top-Rezensenten bei Amazon – ein Motivationsschub für externe Beitragslieferanten.
Mit einer solchen Architektur der abgestuften Zugangsbereiche ließe sich das Potenzial einer Community ohne Zweifel steigern. Ideen und Wissen würden auf Basis von Identitäten gefiltert und verwaltet, ohne die Grundidee – jeder darf mitmachen – zu gefährden. Identitätsmanagement kann so im Web 2.0-Zeitalter zu einem wertvollen Enabler für den Wissensaustausch und das Community-Management der Zukunft werden. Wissensmanagement im Web 2.0-Zeitalter bedeutet Community-Management.