Neuer Management-Ansatz: Einzelne bevorzugen und profitieren
Vorgesetzte befinden sich in einem ethischen Dilemma: Behandeln sie einzelne Mitarbeiter besser als andere, erhöht sich deren Selbstwert. Positive Emotionen und die Arbeitszufriedenheit nehmen zu. Sie sind besonders produktiv, machen weniger Fehler und unterstützen ihre Kollegen. Andererseits vernachlässigen Führungskräfte mit der Bevorteilung den moralischen Anspruch, alle Mitarbeiter gleich zu behandeln. Sie riskieren den Vertrauensverlust derjenigen, die sich benachteiligt fühlen. "Der moralische Imperativ, jeden gleich gut zu behandeln, ist in unserer Gesellschaft stark verwurzelt", weiß Tröster. "Seit den 40er Jahren predigen Führungstheorien, dass es sich auszahlt, wenn man allen Mitarbeitern mit der gleichen Aufmerksamkeit begegnet. Unsere Studie gibt der Forschung einen neuen Dreh: Wir zeigen, dass es sich lohnt, nicht alle gleich zu behandeln." Das bedeute nicht, so Tröster weiter, dass Vorgesetzte andere Mitarbeiter respektlos behandeln sollten. "Vielmehr gilt es, die Kollegen 'normal gut' und fair zu behandeln. Die Bevorteilung muss auf eine sensible Art und Weise geschehen, die den Einzelnen stärkt und das Team nicht schwächt."
Mitarbeiter streben nach Aufmerksamkeit vom Chef
Jeder Mitarbeiter wünscht sich Anerkennung von seinem Vorgesetzten, um sein Ansehen innerhalb des Teams zu steigern. Diesen Zusammenhang beschreibt das Gruppenwert-Modell von Tyler. Tylers Forschung und darauf basierende Theorien vernachlässigen laut Tröster, Thau und Kollegen jedoch einen wichtigen Aspekt: soziale Vergleichsprozesse. "Ob Mitarbeiter die Führungsqualitäten ihres Chef schätzen, richtet sich danach, wie er sie im Vergleich zu anderen behandelt - diese Annahme liegt unserer Studie zugrunde", sagt Tröster. "In einem unserer Experimente waren Gruppenleiter zu einzelnen Teilnehmern besonders freundlich. Sie hielten mit ihnen verstärkt Augenkontakt, gaben ihnen häufiger das erste Wort und lobten ihre Beiträge besonders. Das Ergebnis: Wer sich im Vergleich zu anderen besser behandelt fühlt, stärkt das Team und steigert so die Produktivität. Dagegen bringen Mitarbeiter, die gleich gut wie ihre Kollegen behandelt werden, weniger gute Ergebnisse." Für das Unternehmen zahlt es sich also aus, wenn der Chef Einzelne bevorteilt - ohne dabei andere respektlos zu behandeln.
Leistung Einzelner honorieren, die anderen bei Laune halten
Um die anderen nicht zu "verprellen", könnte es laut Tröster sinnvoll sein, sich auf Mitarbeiter mit hohem Potenzial zu konzentrieren. "Hat jemand gute Arbeit erbracht, sind Lob und Schulterklopfen gerechtfertigt. Unter diesen Umständen wäre das Verhalten des Chefs auch für die Kollegen verständlich." Leistungsträger besonders zu pushen - das war wohl auch die wichtigste Zutat für das Erfolgsrezept von Steve Jobs. Der ehemalige Apple-Chef war bekannt für seinen "tyrannischen und launenhaften", aber auch charismatischen Führungsstil. Weniger Gute behandelte er wie Bauern auf dem Schachbrett. Gleichzeitig widmete er sich jedoch Einzelnen besonders und motivierte sie zu außerordentlichen Leistungen. "Unter welchen Umständen und in welchen Situationen ein bevorteilender Führungsstil erfolgreich und moralisch vertretbar ist - das gilt es, in Folgestudien unter die Lupe zu nehmen", sagt Tröster. "Eins ist jedoch jetzt schon klar: Führungskräfte müssen wissen, dass Gleichbehandlung nicht unbedingt zum Ziel führt. Wollen sie erfolgreich sein, sollten sie ihre Aufmerksamkeit ungleich verteilen."