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Zu viel Medienkonsum schadet den Schulleistungen

Interview mit Prof. Dr. Christian Pfeiffer

(PresseBox) (Hannover, )
Welchen Einfluss haben Computer, Konsole und Fernsehen auf die Leistungen der Schüler? Dieser Frage geht das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen seit 2004 mit verschiedenen Methoden nach. Auf der didacta wird der Leiter des Instituts, Prof. Dr. Christian Pfeiffer, die neuesten Ergebnisse vorstellen. Die Redaktion hat ihn vorab danach befragt.

Herr Professor Pfeiffer, Sie verfügen über neue Ergebnisse aus den Schülerbefragungen. Welche sind das?

Christian Pfeiffer: Neu sind die Längsschnittbefunde aus Berlin. Dort begleiten wir 1000 Kinder bis zu ihrem 16. Lebensjahr. Wir erfassen jährlich, wie sich ihre körperliche Fitness, ihr Gesamtstatus entwickelt hat, ob sie etwa übergewichtig sind oder nicht. Wir erfassen außerdem, wie sich ihre Schulleistungen entfaltet haben und wir registrieren neuerdings auch, ob sie gewalttätig sind. Die Befunde zeigen, dass sich Kinder, die sehr frühzeitig - also schon vor dem Alter von acht Jahren - alle drei Geräte, nämlich Fernseher, PC und Konsole, ins Zimmer bekommen haben, in ihren Leistungen schlecht entfalten. Und die Leistungsabstände zu denen, die keine Geräte im Zimmer haben, werden Jahr für Jahr größer. Zweitens zeigt sich, dass die Fettleibigkeit bei denen, die mit allen drei Geräten ausgestattet sind, deutlich zunimmt, wohingegen sie bei Kindern ohne Geräte relativ konstant bleibt, nämlich bei dem üblichen Wert von rund elf Prozent.

Bei den Intensivnutzern können wir inzwischen bei fast einem Drittel - nämlich bei über 27 Prozent - Übergewicht feststellen, und einen beachtlichen Anteil von ihnen müssen wir sogar als adipös einstufen. Zum Dritten wird deutlich, dass Kinder die schon in der dritten, vierten Klasse aufgrund der Verfügbarkeit der Geräte intensiv Gewaltspiele gespielt haben, jetzt im Alter von zwölf Jahren deutlich gewalttätiger sind als die anderen, die keine Erfahrung mit solchen Spielen oder auch mit gewalttätigen Filmen haben. Und schließlich müssen wir feststellen, dass bei den jetzt Zwölfjährigen bereits einige beim Computerspielen alle Merkmale von Sucht aufweisen.

Lässt sich belegen, welche Kinder besonders risikogefährdet sind?

Christian Pfeiffer: Wir stellen ganz klar einen Zusammenhang mit schulischem Misserfolg, mit sozialem Misserfolg, mit innerfamiliärer Gewalt fest, also mit Belastungsaspekten im realen Leben. Kinder, die ohnmächtig sind, denen wenig gelingt, suchen nach den großen Erfolgen und nach Anerkennung im Computerspiel.

Gibt es bereits konkrete Zahlen zur Computerspielsucht bei Kindern und Jugendlichen?

Christian Pfeiffer: Wir haben Ergebnisse aus einer anderen Forschung, die wir gerade abgeschlossen haben: Drei Prozent der 15jährigen Jungen sind abhängig und weitere 4,9 Prozent muss man als gefährdet einstufen. Das heißt: Rund acht Prozent der männlichen Jugendlichen geraten massiv ins Trudeln, was die Schulleistung angeht. Sie schwänzen sehr oft Schule, weil sie das Computerspielen als wichtiger ansehen. Der größte Effekt tritt bei denen auf, die World auf Warcraft spielen. Dieses Spiel verführt weit stärker als alle anderen zum stundenlangen Spielen, weil der Spielerfolg auch durch die Spieldauer bestimmt wird. Man belohnt die Treue zum Spiel mit Extrapunkten. Deswegen lautet eine klare Forderung an die Politik: Wir dürfen World auf Warcraft erst ab 18 Jahren freigeben, bisher ist es ab zwölf Jahren erlaubt. Das geht nicht mehr angesichts dieser klaren Befunde über die Wirkungen.

Sie sprechen von Jungen, Mädchen sind also weniger gefährdet?

Christian Pfeiffer: Das ist ja einer der Gründe, warum Mädchen heute in den Schulleistungen überall vorn liegen. Sie sind von dem, was wir Medienverwahrlosung nennen, längst nicht so tangiert. Sie haben insgesamt viel mehr Interesse an realer Kommunikation als die Jungen und rutschen nur ganz selten in die Computerspielabhängigkeit. Das lässt sich allein schon an der Geräteausstattung feststellen: Mädchen im Alter von zehn Jahren haben nur zu 16 Prozent eine eigene Playstation, die gleichaltrigen Jungen aber zu 38 Prozent. Spätestens dann entwickelt sich das Leben auseinander. Die Jungen verbringen schon als Zehnjährige eine Stunde länger, später eineinhalb bis zwei Stunden länger an PC und Konsole und sie belasten sich weit stärker mit diesen brutalen Inhalten. Das wirkt sich auf das schulische Lernen nicht positiv aus.

Lässt sich dieses Problem mit Verboten lösen?

Christian Pfeiffer: Verbote helfen nur begrenzt. Die Alterseinstufung hochzusetzen ist zwar hilfreich, aber wir können das Problem nur lösen, wenn wir den Jungen etwas bieten, das besser ist als das Computerspielen. Das setzt voraus, dass wir Ganztagsschulen haben, die nachmittags einem speziellen Programm verpflichtet sind. Schulen, die Lust auf Leben wecken durch Sport und Musik, durch Theater und durch soziales Lernen - auch durch Angebote, die eine Herausforderung für Jungen darstellen. Rugby spielen wäre zum Beispiel etwas Wunderbares, dort können Jungen ihre Männlichkeit austoben. In Neuseeland beispielsweise gilt das Prinzip, dass die Lehrer nachmittags ihre Hobbys in die Schule einbringen dürfen. Der Mathematiklehrer ist dann auf einmal Rugbylehrer, und die Biologielehrerin bringt mit 50 Jugendlichen ein "Lord of the Dance" auf die Bühne. Es ist eine grundsätzlich andere Definition für den Schulnachmittag. Vormittags geht es um Wissensvermittlung und nachmittags existiert ein Programm, das mitreißend ist.

Und so sollten die Ganztagsschulen in Deutschland auch organisiert sein?

Christian Pfeiffer: Ich stelle dieses Modell immer vor, wenn ich über dieses Thema referiere. Die Eltern sind rundherum begeistert und von den Lehrern sind es viele. Einige haben Angst vor dieser neuen Anforderung, aber das ist alles eine Frage der Gewöhnung und der Orientierung.

Wenn man im Studium schon weiß: 'Später einmal sind meine Hobbys auch gefragt' - dann ist man viel eher gefordert, inhaltsreiche Hobbys zu pflegen.

Neben diesen Erwartungen an die Schulen und Lehrer, was verlangen Sie von den Eltern?

Christian Pfeiffer: Die wichtigste Botschaft ist: absolut keine Bildschirmgeräte in den Kinderzimmern, jedenfalls nicht bei den unter Zwölfjährigen. Ich wünsche mir, dass jeder Grundschulrektor den Eltern am ersten Schultag diese Botschaft mitgibt. Bisher ist sie öffentlich noch nicht stark unterstützt worden. Einzelne Minister haben das getan, wir wollen in diesem Jahr eine Kampagne beginnen, die diese Botschaft ganz systematisch in die Öffentlichkeit trägt - und zwar über die Kultusministerien an die Schulen.

Heißt das, auch die Schulen sollten auf Computer verzichten?

Christian Pfeiffer: Nein! Der PC muss zu einem Handwerksinstrument für jeden werden, der in die Schule geht. Aber die Schulen in Deutschland sind rückständig in der positiven Nutzung des Computers.

Aber zu Hause sollten Kinder grundsätzlich vom Computer ferngehalten werden?

Christian Pfeiffer: Auch das nicht. Erstens sollten sie auch dort lernen ihn als Kommunikations- und Arbeitsinstrument zu nutzen. Und zweitens gibt es wirklich gute Computerspiele. Zum Beispiel solche, die den betroffenen Kindern sehr unterhaltsam und spielerisch beibringen, wie man sich als Diabetiker richtig verhält. Es gibt Lernspiele für Mathematik und Englisch und auch kreative sowie pfiffige Unterhaltungsspiele. Man kann nur hoffen, dass die Computerspieleindustrie aus ihren Flegeljahren herauskommt und sich stärker auf Spiele konzentriert, die pädagogisch wertvoll sind.

didacta – die Bildungsmesse (10. bis 14. Februar 2009)
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