Vor allem die große Aufmerksamkeit, die die Gipfelteilnehmer den internetbasierten Diensten und dem Thema Konvergenz gewidmet haben, freut die Branchevertreter innerhalb des BVDW. Dennoch mangelt es dem gesamten Vorhaben nach der ersten Ergebnispräsentation nach Auffassung der BVDW-Experten noch an entscheidenden „Zutaten“. Insbesondere die Innovationskraft der vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen hierzulande wird demnach falsch eingeschätzt und ist zum jetzigen Zeitpunkt in der Agenda der Gipfelteilnehmer noch unterrepräsentiert. Der Kritik einiger Organisationen an der Einladungspolitik schließen sich die BVDW-Vertreter jedoch nicht an. „Solange es in pragmatischen Gesprächsrunden zu relevanten, handfesten und zukunftsfähigen Resultaten und Konzepten kommt, spielt die Zusammensetzung eine untergeordnete Rolle“, so BVDW-Präsident Arndt Groth (ePages Software GmbH). „Letztlich ist entscheidend, dass Wirtschaft und Politik gemeinsam in die richtige Richtung marschiert.“
Balance aus Leuchtturmprojekten und Innovationsfreundlichkeit
Auch Peter J. Bisa (Tactum GmbH), als Mitglied des BVDW-Gesamtvorstands für Mittelstandsfragen zuständig und zudem Leiter des Arbeitskreises Medienpolitik im BVDW, teilt diese Ansicht, sieht allerdings durchaus Korrekturbedarf bis zum zweiten Gipfeltreffen anlässlich der CeBIT im Frühjahr. „Die Branche braucht in der Tat politische Aufmerksamkeit und die Zusage, Mittel für die Forschungsförderung bereit zu stellen. Das erhöht die Attraktivität und Anziehungskraft für die Talente an den Hochschulen sowie für Unternehmen, Kapitalgeber und Fachkräfte aus dem Ausland“, lobt Bisa, mahnt aber: „Wenn es das erklärte Ziel ist, Innovationen und Wertschöpfung der Digitalen Wirtschaft hierzulande zu fördern, dann benötigen wir eine sinnvolle Balance aus einem Leuchtturmprojekt und der Schaffung von innovationsfördernden Rahmenbedingungen für all die zahlreichen kleinen Unternehmen, die gerade in Deutschland Innovationstreiber sind. Und damit auch Arbeitsplätze generieren - im Gegensatz zu den Großbetrieben. Als Impuls- und Ratgeber stehen die Experten des BVDW hier gerne für Gespräche und eine weitere aktive Mitarbeit bereit."
Diskussion zu techniklastig – Anwender im Blick behalten
Zwar loben die BVDW-Vertreter ausdrücklich, dass es zum ersten Mal zu einer strategischen Runde zwischen Wirtschaft und Politik in Sachen digitaler Wirtschaft gekommen ist. Leider sei aber im ersten Anlauf die Chance verpasst worden, dem Thema Konvergenz, das zu einem sehr großen Teil aus Inhalten und Kreativität besteht, entsprechende Aufmerksamkeit zu Teil werden zu lassen. „Die Diskussion ist derzeit noch zu techniklastig“, so Peter J. Bisa. „Die Aufholjagd im IT-Sektor kann am Ende nur dann gewonnen werden, wenn den Nutzerinteressen und der Anwenderseite mehr Beachtung geschenkt wird. Hier zeigt sich, dass Anwendungssoftware sowie der gesamte Entertainmentmarkt, inklusive der Spiele- und Filmindustrie, rasante Entwicklungen durchlebt – da muss Deutschland am Ball bleiben.“ Vor diesem Hintergrund sei die aktuell auf politischem Terrain geführte Debatte um das Verbot von Spielen, die jenseits der Landesgrenzen problemlos erhältlich sind, absolut nicht zielführend seien.
Förderung mit Augenmaß – Startups und Innovationstreiber fokussieren
Gerade die jüngste Geschichte der Web 2.0-Anwendungen verdeutlicht nach Auffassung der BVDW-Vertreter, in welch geringem Ausmaß sich Entwicklungen vorhersagen und planen lassen. Letztlich würden derzeit viele Ursprungsversprechen der Internetpioniere eingelöst. Das verdeutliche, dass es manchmal eben besser sein, Entwicklungen mit Augenmaß zu fördern, anstatt sie zuerst zu überhöhen, um sie anschließend für tot zu erklären. „Schon jetzt gibt es auch jenseits von openBC/XING.com oder myvideo.com tragfähige Geschäftsideen, die sich bei der Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen auch international behaupten können“, resümiert Arndt Groth. Wichtig sei es zu erkennen, dass eben vor allem kleine oder ganz junge Unternehmen derartige Innovationen treiben würden. „In dem Zusammenhang fällt auf, dass kein einziger Mittelständler einen der Arbeitskreise des IT-Gipfels leitet. Mir wäre es lieber gewesen, wenn ein erfolgreicher Startup-Unternehmer einen der Arbeitskreise geleitet hätte“, bringt es der Gründer und Aufsichtsratsvorsitzende der IDS Scheer AG, August-Wilhelm Scheer, im Interview mit der Computerwoche auf den Punkt. Umso gespannter blicken die vielen kleinen und mittleren Innovationstreiber in Deutschland Richtung CeBIT 2007, wo beim nächsten Treffen der Arbeitsgruppen erste Zwischenberichte präsentiert werden sollen.