Der neue Prüfstand wird in erster Linie zum Test von Rotorlagerungen für Wind-kraftanlagen der Multi-Megawatt-Klasse eingesetzt und wird zu einem noch besseren Verständnis des Gesamtsystems, der Einflussfaktoren und der Zusammenhänge im Antriebsstrang von Windkraftanlagen führen. Das Ergebnis werden Lager sein, die sich durch geringere Reibung und höhere Auslegungssicherheit auszeichnen. Darüber hinaus lassen sich aus den Tests Hinweise und Empfehlungen zu Betrieb und Wartung der Anlagen sowie zur optimalen Umgebungskonstruktion ableiten. Der Prüfstand ist nach "Astraios", einem Titan aus der griechischen Mythologie und Vater der vier Windgötter, benannt.
Schaeffler auf die Chancen der Energiewende bestens vorbereitet
Für Maria-Elisabeth Schaeffler, Gesellschafterin der Schaeffler Gruppe, steht der Prüfstand für die großen Aufgaben der Zukunft ebenso wie für die prägenden Werte des Unternehmens: Innovationskraft und Pioniergeist, Leistungsfähigkeit, Qualitäts-bewusstsein und Standorttreue. In ihrer Begrüßungsrede hob sie die Chancen her-vor, die die Energiewende gerade auch dem Maschinen- und Anlagenbau eröffne. "Der Großlagerprüfstand ist für Schaeffler ein konsequenter Schritt, um die erneuer-baren Energien als strategisches Wachstumsfeld weiter zu stärken", so Maria-Elisabeth Schaeffler.
Dr. Anja Weisgerber, MdEP und Mitglied im Umweltausschuss des Europäischen Parlaments, hob die technologische Spitzenposition von Schaeffler in der Windkraft hervor und dankte auch im Namen des Schweinfurter Oberbürgermeisters Sebastian Remelé und der anwesenden Stadtratsmitglieder für die Investition in den Ent-wicklungsstandort Schweinfurt. Als zentrale Aufgabe der Politik nannte sie die ver-stärkte Förderung von Forschung und Entwicklung der erneuerbaren Energien und der Speichertechnologien sowie den Ausbau der Netzinfrastruktur auch über die nationalen Grenzen hinweg.
Die Notwendigkeit eines zügigen internationalen Netzausbaus betonte auch Heiko Roß, Technischer Vorstand der Windreich AG. Das Unternehmen plant, baut, fi-nanziert und vertreibt Windkraftanlagen und hat bereits mehr als 1.000 Onshore-Windkraftanlagen errichtet. Größtes Wachstumsfeld ist der Offshore-Bereich in der deutschen Nordsee. "Gerade diese Technologie braucht absolut zuverlässige Tech-nik", so Heiko Roß. "Der Prüfstand von Schaeffler schafft dafür die Vorausset-zung."
Dr. Jürgen M. Geißinger, Vorsitzender der Vorstands der Schaeffler AG, sieht das Unternehmen mit innovativen Produkten und Technologien und seiner Positionierung in den Wachstumsmärkten auf die globalen Herausforderungen der erneuerbaren Energien bestens vorbereitet. "Neben der Windenergie gewinnen auch die So-larenergie sowie die Wellen- und Strömungskraft an Bedeutung. Unsere Lösungen haben einen ganz wesentlichen Anteil an der Wirtschaftlichkeit und Zuverlässigkeit dieser neuen Technologien", so Dr. Geißinger.
Aufbau und Funktionsprinzip des Großlagerprüfstands
Der Prüfstand simuliert realitätsnah beispielsweise statische und dynamische Kräfte sowie Momente, die auf Rotorlager und Drehverbindungen einwirken. Getestet wer-den können alle Rotorlagerungskonzepte für Windkraftanlagen bis sechs Megawatt Leistung. Die Funktionsuntersuchungen geben Aufschluss über Wälzlagerkinematik, Wälzlagertemperatur und Reibungsverhalten, Beanspruchungen und Verformungen. Die dafür benötigten Daten liefern mehr als 300 Sensoren an und in den Lagern.
Die wichtigste Komponente des Prüfstands ist der Belastungsrahmen. An ihm sind jeweils vier hydraulisch betriebene Radial- bzw. Axialzylinder befestigt. Sie erzeugen die realen Lasten und Momente, die in einer Windkraftanlage auftreten. Dabei simu-lieren die Radialzylinder das Gewicht einer Rotornabe mit Rotorblättern; die Axialzy-linder generieren die Windlasten.
Bei großen Anlagen können Rotor und Nabe weit über 100 Tonnen wiegen. Dieses Gewicht wirkt auf das Lager und erzeugt die so genannte statische Radiallast sowie das statische Nickmoment. Entsprechend groß sind die vier Radialzylinder dimensi-oniert. Jeder Zylinder kann maximal ein Meganewton Kraft erzeugen, was einer Gewichtskraft von 100 Tonnen entspricht. Noch mehr "Power" haben die Axialzylin-der. Jeder von ihnen verfügt über ein Kraftpotenzial von 1,5 Meganewton für die Simulation der statischen Axiallast sowie der dynamischen Nick- und Giermomente. Dieses Nicken und Gieren ist vergleichbar mit dem Heben und Senken bzw. Drehen des Kopfes.
Über den Antriebsstrang mit seinem Planetengetriebe lassen sich die verschiedenen Windgeschwindigkeiten simulieren. Typische Drehzahlen liegen zwischen vier und 20 Umdrehungen pro Minute; auch deutlich höhere Drehzahlen sind möglich. Der Aufspannrahmen verkörpert den Anschluss der Gondel der Windkraftanlage. Be-kanntlich weht der Wind ganz selten mit konstanter Größe oder aus der gleichen Richtung. Vielmehr wirkt er mit unterschiedlicher Intensität und an unterschiedlichen Stellen auf die Windkraftanlage. In Abhängigkeit der Stellung der drehenden Rotor-blätter werden unterschiedliche Momente an der Rotornabe erzeugt. Wirkt er zum Beispiel oben oder unten auf die Rotorblätter, verursacht er das so genannte dyna-mische Nickmoment. Dreht der Wind und bläst stärker von der Seite, kommt noch das so genannte dynamische Giermoment hinzu.
Aus all dem folgt, dass Windkraftanlagen aufgrund der ständig wechselnden Wind-verhältnisse äußerst komplexen Bedingungen unterliegen. Eine Herkulesaufgabe nicht nur für den Prüfstand und die acht Hydraulikzylinder, die im Zusammenspiel alle realen Lasten und Momente simulieren, sondern auch für SARA, das die um-fangreichen Mess-, Regelungs- und Steuerungsprozesse automatisch steuert. SARA steht für Schaeffler Automation System for Research & Development Applications (Schaeffler-Automatisierungssystem für Anwendungen in Forschung und Ent-wicklung). SARA generiert die Sollwerte entsprechend den Windlasten, regelt die hochdynamischen Servozylinder, steuert und regelt alle Aggregate, sorgt für die Messung und Speicherung aller Daten, ist zuständig für die telemetrische La-germesstechnik, visualisiert alle Soll-, Ist- und Grenzwerte, wertet die Messdaten aus und erstellt die Protokolle.